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Mobirise

Piratesches Corona-Guide

Die Coronakrise hatte alle Länder der Welt und ihre Regierungen vor bisher unbekannte Herausforderungen gestellt. Keiner hat ein klares Erfolgsrezept und die verschiedenste Maßnahmen werden probiert. Doch gibt es einen Land, das im Europaweiten Vergleich scheinbar die Krise aus dem gesundheitlichem Sicht am bestens meistert - die Tschechische Republik. Das Land verfügt um die niedrigste Todesrate und führte viele Maßnahmen ein, die erst mit Verzögerung von Wochen oder Monaten in anderen Ländern kommen.  

Kann man diese Erfolge der tschechischen Regierung zuschreiben? Kaum.

Tschechien war im frühen März ein Land, das vom Chaos geprägt war. Die Regierung verkündete wichtige und drastische Maßnahmen von einem Tag auf den anderen, selbst die gesetzliche Regelungen für den Krisenmanagement wurden im März noch gravierend verändert Stunden vor ihrem Inkrafttreten. Noch schlimmer - in der eigentlichen Kampflinie fehlte Schutzausrüstung, obwohl noch im Januar das Gegenteil seitens der Regierung versichert wurde.

Als Reaktion hatte sich eine monumentale Welle an Engagement und Teilhabe unter der Bevölkerung erhoben.

Bereits in der ersten Woche wurde von freiwilligen Ehrenamtlern, Influencer und auch oppositionelle Politiker der Hashtag #rouškyvšem (#Mundschutzfüralle) popularisiert. 


Im Internet verbreiteten sich dutzende Videos mit Anleitung zur Selbstherstellung von Atemmasken und ein Aufruf zum Tragen der Masken in der öffentlichkeit. Schon am 16.3. führte die Stadtverwaltung von Prag unter der Leitung des Piratschen Oberbürgermeister Hřib im Alleingang die Maskenpflicht in ÖPNV. Dem Druck der Bevölkerung bog sich die Staatsregierung am 18.3., als sie eine allgemeine Mundschutzpflich einführte.  

Dennoch blieb ein Problem - Mundschutzmasken hatte es nicht gegeben. Nicht mal in vielen Krankenhäusern.

Auch hier agierte die solidarische zivile Gesellschaft selbst. Es entstanden hunderte, tausende Initiativen von einzelnen Nähern zu Hause bis zu ganzen Firmen, die nun Masken und sonstige Ausrüstung produzierten. In kürzester Zeit hatte die Zivilgesellschaft da gesiegt, wo die Regierung versagte.

Seit der Anfang der Krise ist jetzt mehr als ein Monat vergangen und man kann auch dem ganzen Welt, von dem wir durch wiederentstandenen Grenzen getrennt sind, die besten Projekten unserer Zivilgesellschaft vorstellen. Möge es auch in anderen Ländern zu Beseitigung der Krise beitragen.

#Rouskyvsem

Der Hashtag erschien im Internet schon in den ersten Märztagen, als der Ausmaß der Epidemie in Italien bekannt geworden war. Der Anlaß dazu waren die (bis heute) niedrige Infektionszahle in Ländern wie Südkorea und Taiwan, wo der Mundchutz eine teil der Bekämpfungsmaßnahmen vor Anfang and war. Es erschienen verschiedenste Videos auf Youtube und Bastelguides im Internet, da im März die Marktvorräte bereits hoffnungslos ausverkauft waren.

Da sich offensichtlich in Tschechien die Masken erwiesen, entstand eine Gruppierung von Ehrenamtlern, Experten und Wissenschaftlern die unter dem Namen #Masks4All eine Webseite und mehrere Videos produzierten, die die weltweite Öffentlichkeit von den Vorteilen des allgemeinen Tragen von Mundschutz überzeugen versucht.  

Mangel an Schutzmaterial stellt aktuell eine weltweite Herausforderung dar. Die jahrzehntelange Outsourcing und Standortverlegung der Herstellung nach China erweist sich derzeit als unvorteilhaft. Da die europäischen Staaten zumeist nicht in der Lage sind, eine Eigenproduktion in kürzesten Zeit selber auf dem Weg bringen, müssen Alternativen vom Privatsektor oder von Freiwilligen herankommen.

Die N-rouška (N-Mundschutz) ist eine low-cost, low-effort Mundschutzalternative. Die verantwortliche Firma bietet ein Blueprint für einen Mundschutz-Halter, an dem 4-lagige Papiertaschentücher befestigt werden können, die nach Benutzung wieder weggeworfen werden.

Der Halter kann jeder mit 3D-Drucker herstellen, der Design wird zur nicht-kommerziellen Nutzung freigegeben, jedoch behält die Firma den Copyright. 

Open source ochranné štíty

https://www.prusa3d.cz/covid19/

Die Tschechische Technische Universität (ČVUT) entwickelte in Kooperation mit der Firma Prusa Research ein medizinisches Schutzschild, der leicht mit einem 3D-Drucker hergestellt werden kann.

Der Gesamte Projekt wird als Open-Source freigestellt und ist auf Englisch abrufbar, inkl. detailierte Anleitung und Videos.
https://www.prusa3d.com/covid19/#_ga=2.99248798.1825214321.1587478783-688853163.1587478783

Der Großteil der Anleitungen ist auch auf Deutsch abrufbar.

Auf Deutsch und Englisch wurden auch wichtige Informationen zur Behandlung und Desinfektion der Schilder veröffentlicht:
https://help.prusa3d.com/de/article/prusa-gesichtsschutzschild-desinfektion_125461
https://help.prusa3d.com/de/article/3d-gedruckte-gesichtsschutzschilde-faqs_125483

Die Firma hat auch einen Netzwerking Portal bereitgestellt, wo sich potentielle (Teil-)Hersteller verbinden können.
https://www.prusaprinters.org/

Darüber hinaus entstanden auch Facebook-Gruppierungen, die auch zum Vernetzen der Herstellern dienen:
https://www.facebook.com/groups/246059679748559/ (Mit dem 3D-Druck gegen COVID-19)

Die Schilder werden schon von tschechischen Gesundheitsämtern zum medizinischen Gebrauch als Einwegartikeln zugelassen (ein Verfahren zur Prüfung einer Wiederverwendbarkeit läuft gerade noch). Die Situation in deutschsprachigen Ländern darf schwieriger werden. Konsultieren sie bitte ihr Gesundheitsamt vor Ort!

Atemmaske RP-95

https://rp95.cz/cs/download 

Auch dieses Projekt wurde von der Tschechischen Technischen Universität ČVUT entwickelt. Die RP-95 (volle Bezeichnung CIIRC RP95-3D) Masken übertreffen in mehreren Parametern die herkömmliche, auf dem Markt erhältliche Atemmasken mit FFP3 Zertifizierung.

Bei Regelmäßigen und vorschriftsgemäßigten Filterwechsel und Desinfizierung sind sie wiederverwendbar und können sogar von mehreren Personen geteilt werden.

Entsprechend der Komplexität ist der Druck mit beliebigem 3D-Drucker nicht möglich, sondern nur mit MJF-tauglichen Maschinen der Marke HP. Von daher eignet sich die Herstellung eher nur für etablierte Firmen.

Ein Verfahren für Zulassung auf der EU-Ebene wird gerade von der ČVUT angestrebt. In der Tschechischen Republik wurde die Maske zunächst für 3 Monaten zugelassen.
(mehr dazu unter: https://rp95.cz/en/certification)

Die 3D-Drucker-Vorlagen werden kostenlos für nicht-kommerziellen Verbrauch zu Verfügung gestellt, eine Registration ist aber erforderlich.
https://rp95.cz/en/download

Logistik und Koordination

Die Schutzmaterialien am richtigen Ort zur richtigen Zeit haben ist die allerwichtigste Aufgabe der Corona-Bekämpfung. Solchem Logistikverfahren ist in dem gebrauchten Ausmaß immernoch weder der Staat, noch der Markt gewachsen. Die kreative Kraft von Wissenschaftler, Studierenden, Ehrenamtler kann hier effektive Abhilfe schaffen.

Die tschechische Name dieses Projektes stellt eine Anspielung an den populären Lieferportal “Dáme jídlo” dar.

Es handelt sich um eine dezentralisierte, auf Ehrenamt basierte Plattform, die Hersteller von selbstgemachten Masken, mit Masken-bedürftigen verbindet. Diese dürfen Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, oder aber auch Privatpersonen.
Das Portal verbindet längst nicht nur Produzierenden und Bedürftigen rund um Mundschutzmasken, sondern auch bei sonstigen Schutzmaterial, wie Gesichtsschilder oder Filterrespiratoren.

Jeder kann ein Angebot oder eine Anfrage posten, die Plattform selbst übernimmt aber dementsprechend keine Haftung. Es darf auch entgelt für die Schutzmaterialien erhoben werden, jedoch nur zur Deckung der unmittelbaren Material-, bzw. 

Herstellungskosten. Offensichtlich gewinnorientierte Angebote werden entfernt. 

Für diejenigen, die nicht Digital Natives sind, bietet das Team eine zeitnahe Erstellung einer Anzeige, so lange sie ausreichende Details per E-mail erhalten. 

Der Portal maskefuerdich.de/ bietet dagegen eine ortschaftsbedingt begrenzte Auswahl an Kategorien, da eine Belieferung von Pflege- und Gesundheitseinrichtungen aktuell nicht rechtlich möglich ist. Auch ist der Portal für Koordination von 3D-Druck Initiativen noch nicht verfügbar.

Die Karten der beiden Projekten werden kostenlos von der tschechischen Firma Mapotic.com bereitgestellt. 

Mapa Pomoci

Ein Projekt der zivilgesellschaftlichen Organisation “Miliony Chvilek pro Demokracii” (Milionen Augenblicken für Demokratie). Es handelt sich um einen einfachen Google-Maps Filter. In die Karte können sich sämtliche Initiativen, Institutionen und Einzelnen, die entweder Hilfe anbieten oder benötigen eintragen. 

Unterstützung der lokalen Wirtschaft

Hätte der Coronavirus nur unsere Gesundheit gefährdet, wäre er immer noch das größte Gefahr für die Menschheit heute. Leider leidet die Wirtschaft zahlreicher Staaten unter dem Coronavirus genauso stark, wie die Gesundheitssysteme. Überall in der Welt sind genaue diejenigen in Gefahr, die jeder Politiker gerne als die Quelle des Nationalreichtums - die kleine und mittlere Betriebe.

In Tschechien wird nicht mal die urtypische Wirtschaftszweig verschont, die Brauereien.  

Zachraňpivo.cz

Zachraňpivo.cz

 

Deswegen entstand die Initiative Zachranpivo.cz, also ‘Rette das Bier’. Diese hat sich als Ziel die kleine Brauereien, die nicht in der Lage sind, die Krise überzustehen, am Leben zu halten.
Ursprünglich wurde zu einem massenhaften Ankauf des bereits vor der Krise gebrauten Bieres aufgerufen. Denn viele der kleinen Brauereien brauen un-pasteurisiertes oder nur schonend pasteurisiertes Bier, das anders als das Großbrauereibier nicht um lange Haltbarkeit verfügt. Solches Bier ist auch eher nur in Bierlokalen und spezialisierten Getränkeladen verfügbar, die aber gerade zu sind.

Über diese Projekt wurde bereits auch in der Presse ausserhalb Tschechien, wie z.B.  
BBC, informiert worden.

Der erste Aufruf dieser Kampagne ist bereits abgeschlossen. Es wurden Millionen Gläser und Flaschen Bier verkauft. Die Initiatoren (die selber Betreiber einer solchen Kleinbrauerei) rufen jetzt zu Vorbestellungen um die Herstellung in der Brauereien im Gange zu halten.

Vor etlichen Herausforderungen stehen auch Kleinbrauereien in Ländern außerhalb Tschechien, aber auch weitere spezialisierten Wirtschaftszweigen. Selbstinitiative und Fantasie kennen dabei keine Grenzen. Jeder kann nach seinen Fähigkeiten helfen, seine beliebte Marktnische oder Hobby retten in dem, das er sie in der Krisenzeit nicht im Stich lässt! 

 

Finanzielle Unterstützung 

 

Die durch den Coronavirus verursachte wirtschaftliche Katastrophe hat aber auch häufig eine persönliche Dimension. Es sind die einzelne menschliche Schicksäle, die durch den Coronavirus auf dem Kopf gestellt sind. Abgesehen von Staatlichen Angestelten, Beamten, Arbeitern in systemrelevanten Branchen und einigen klugen Investoren haben alle finanzielle Verluste zu verzeichnen. Einige sind aber so stark betroffen, dass ihre Lebenssituation beinahe hoffnungslos ist. Betroffen sein kann jeder - von Einzelnen, Familien, Selbständigen bis hin zu kleinen oder großen Firmen.

Da das soziale Netz in vielen Staaten sehr lückenhaft ist, ist auch hier Selbsthilfe der zivilen Gesellschaft, Organisationen oder sogar politischen Parteien angefragt. 

Piratisches Rettungsring

 

Piratisches Rettungsring
Ein solcher Beispiel ist der Piratische Rettungsring im tschechischen Landkreis Pardubice. Es handelt sich dabei um einen Sozialfond, der finanzielle Hilfe an Bedürftige Individuen, Familien oder Firmen leisten soll. Genauso sollte er auch bürgerliche Initiativen und NGOs, die selber bedürftige unterstützen, helfen.

Der Fond verfügt um ein Basiskapital von 200 000 Kč (ca. 7300 Euro). Anträge bis zu 200 Euro werden nach Genehmigung direkt ausbezahlt. Anträge über 200 Euro werden Peer-to-Peer Sammlungen auf der Plattform “Znesnaze21” gestellt. Alle dort gesammelten Spenden wird die Partei noch einmal verdoppeln (bis hin zu 15 000 Kč pro Antrag).

Podrobné podmínky programu

Ähnliche Fonds kann jeder gründen - eine politische Partei, NGO oder einfach ein Paar engagierten Nachbarn. Die Hauptidee heißt Solidarität  

BUĎTE S NÁMI V KONTAKTU

 zo@pirati.cz